Montag, 13. Oktober 2003

Bericht Nr. 1 an Rotary


Ich bin jetzt seit 2 ½ Monaten hier in Indien/Pune. Als ich im Juli in Mumbai, mit den anderen 10 Austauschschuelern aus Deutschland, um 1 Uhr morgens angekommen bin, war ich erstmal etwas verunsichert. Der Flughafen, sah ungefaehr so aus wie in Deutschland/Minden der Busbahnhof, nur etwas groesser. Als ich aus dem Flughafengebaeude rausgekommen bin (zu dem Zeitpunkt war es dann schon 3 Uhr morgens), habe ich sofort meine Gastmutter und meinen Gastbruder gesehen, die mich auch auf anhieb erkannt und herzlich begruesst haben. Mit dem Taxi sind wir dann 3 Stunden nach Pune gefahren. Auf dieser Fahrt habe ich meine erste Erfahrung mit indischem Verkehr gemacht. Ich fand es auf der einen Seite recht lustig, auf der anderen aber auch unheimlich, wie der Taxifahrer uns ueber die Strassen manoevriert hat. Ununterbrochen am hupen, und von Abstand halten hatte er auch noch nie was gehoert.
Meine erste Rickshawfahrt am zweiten Tag, war auch unglaublich spannend. Jetzt bin ich schon so sehr an diese Alltaeglichen Dinge gewoehnt, das ich mich manchmal frage warum z.B. meine Gastmutter so wenig hupt, warum die Rickshaw nicht den Platz zwischen den beiden Bussen nutzt um weiter vorne zu sein und dann schneller losstarten zu koennen, wenn die Ampel gruen wird, oder warum manche noch etwas laenger zoegern die Strasse zu ueberqueren (ueberqueren heisst hier, sehen das man es irgendwie bis zu Mitte der Strasse schafft, wo dann meistens eine ca. 30 cm breite Stufe ist auf der man sicher ist, bis man wieder soviel Mut zusammengesammelt hat, bis man den Rest der Strasse ueberqueren kann).
Indiens – Punes Strassen sind sowieso ein Erlebnis fuer sich. Es gibt zwar Teilweise Buergersteige, die werden aber so gut wie garnicht genutzt. Warum genau kann ich eigentlich nicht sagen….es ist einfach prakischer auf der Strasse zu gehen. Ausserdem pflanzen die Inder auf den Buergersteigen alle 10 Meter mittendrin einen Baum. Sehr nett. Jedenfalls nutzen alle die Strasse. “Alle” heisst: Autos, Busse, Roller, Motorraeder, (bisher ja noch ganz normal), dann, Fussgaenger, Fahradfahrer, Gemuesehaendler, Kuehe, Hunde, Katzen, Ziegen, und manchmal sieht man einen Elefanten oder Kamele.
Ist also wirklich vielfaeltig.
Eine andere Sache die einem hier auf jeden Fall auffaellt ist die Armut. In Indien lebt der weitaus groesste Teil der Bevoelkerung in Armut. Hier in Pune ist das natuerlich nicht anders. Ich werde mindestens einmal am Tag, meistens von Kindern, angebettelt. Es ist wirklich schlimm, vorallem dann sturr zu bleiben und ihnen kein Geld zu geben. Geld muessen sie naemlich abgeben und haben im prinzip nichts davon. Wenn ich was zu essen in der Tasche habe, gebe ich ihnen das. Man ist in so einer Situation immer in einem Zwiespalt, denn man moechte ja gerne allen etwas geben, aber ich kann nicht ganz Pune versorgen, und wenn ich ihnen etwas gebe, werden sie morgen trotzdem wieder betteln gehen.
Diesen Sonntag war ich mit meiner Mutter in einem Dorf etwas ausserhalb von Pune. Dort haben wir aidskranke Kinder besucht. Das waren 38 Kinder im Alter von 2-12, die in einer Huette wohnen. Und Huette ist wirklich der richtige Ausdruck dafuer. Eine Kueche, ein Raum in dem alle schlafen und leben, und eine Toilette. Die Kinder sind alle von Prostituierten, die auch HIV hatten und gestorben sind, oder die Kinder einfach nicht haben wollen. Eine Frau und 3 oder 4 Frauen die auch in dem Haus aufgewachsen sind (also auch Aids haben), betreuen die Kinder, leben mit ihnen. Mein Gastclub sponsert denen Geld, und deshalb sind wir da hingegangen. Die Frau die das Haus leitet, hat uns erzaehlt das den Kinder der Schulbesuch verweigert wird, da die Angst haben das sie angesteckt werden, die Dorfbewohner geben ihnen im Sommer kein Wasser, und selbst im Krankenhaus wird die Aufnahme bzw. Behandlung verweigert, obwohl Aerzte es jawohl am besten wissen muessten, das HIV nicht ueber anfassen uebertragen werden kann. Und diese Kinder sind wirklich einfach nur goldig! Das war echt eine Erfahrung die ich nicht vergessen werde, und die mich ganzschoen beruehrt hat. Ich werde da auch noch oeffters hingehen, da die zwar immer irgendwie Sponsoren finden werden, aber keine Besucher haben, die sich mit den Kindern beschaeftigen. So hat das diese Frau erklaert. Nahrungsmittel bekommen sie von sozial engagierten, die ihnen Reis, Obst und Gemuese vorbeibringen, und Geld z.B. von Rotary oder Lions Club. Aber es ist einfach in keener Weise vergleichbar, welche Sorgen diese Leute haben. Die muessen um Nahrungsmittel bitten, und freiwillige Aerzte finden die die Kinder untersuchen! Also ich finde das einfach nur heftig……..
Trotzalledem sind die Menschen hier wundervoll. Trotzdem so viele Arm sind, jeden Tag sehen muessen das sie Geld haben um sich und meistens noch eine Familie die dazugehoert versorgen muessen, sind sie trotzdem zufrieden. Sie probieren immer das beste aus allem rauszuholen und in allem zu sehen.
Meine Gastfamilie und alle Leute die ich bis jetzt getroffen haben waren durch und durch Gastfreundlich. Ich habe sogar schon Einladungen nach Delhi und Kalkutta. Die Menschen machen es einem hier wirklich leicht sich wohl zu fuehlen.
Indische Familien sind einfach riesig. Ich bin im Noven\mber zu einer Hochzeit von einer Cousine um 4 oder 5 Ecken eingeladen. Und das ist normal, weil Familie hier einfach jeder ist, der auch nur im entferntesten irgendeine Verbindung zu einem hat. Hier gibt es sehr viele Join-Families. Das heisst, in einem Haus leben die Grossseltern, sowie Onkel und Tanten mit ihren Familien. Meine 3. Gastfamilie wird eine solche Join-Family sein. Meine jetzige Familie ist definitive keine. Sie ist insgesamt recht westlich. Alle Frauen in dieser Familie arbeiten oder haben frueher gearbeitet. Hier in Indien sind eigentlich nur so insegesamt 5 Familienmitglieder. Der ganze Rest der Familie (die trotz allem riesig ist), sind in den USA. Mein jetziger Gastbruder uebrigens auch, in Duluth/Minnesota.
Seit Ende August, Anfang September, wird hier nur noch gefeiert. Da die Monsoon-Zeit dann zuende ist, fangen die ganzen Feste an. Das erste grosse Fest das ich hier miterlebt habe, war das Krishna-Fest. Krishna ist einer der Goetter des Hinduismus, und am Krishna Fest versuchen verschiedene Gruppen von Maennern einen Beutel/Topf mit Geld drin von einer Leine zu holen die ueber der Strasse gespannt ist. Sie haben aber keine Hilfsmittel, und muessen daher eine Menschenpyramide bauen. (…die doch einige Male eingestuerzt war bevor sie es endlich geschafft hatten…). Den ganzen Abend, haben die Maenner getanzt als wenn es ihre letzte Gelegenheit waere…..also Inder koennen echt abgehen…
Das naechste Fest, war dann Ganpatti. Das ist eigentlich auch ein Fest des hinduistischen Glaubens, wird aber von allen gefeiert, da zu der gleichen Zeit auch das Pune Festival stattfindet. Beim Ganpatti wird der Gott Ganesh gefeiert. Ueberall in der Stadt waren Buehnen aufgebaut, auf denen Grosse Figuren Standen die irgendeine der vielen Geschichten des Hinduismus erzaehlten. Sobald es Abend wurde, waren die Strassen dann ueberfuellt mit Menschen und man konnte sich kaum vorwaerts bewegen. Dieses Fest ging eine Woche lang, und am letzten Tag war der Hoehepunkt erreicht. Da wurden alle Buehnen und Statuen, mit lauter Musik, durch Punes Strassen gefahren. Und wieder haben die Leute (wieder hauptsaechlich die Maenner) getanzt wie sonst nichts gutes.
Dann kam Dandiya. Das geht neun Tage und diese ganzen neun Tage wird nur getanzt. Jeder hat zwei Holzstoecke und dann schlaegt man die im Rhythmus der Musik immer aneinander. Das macht recht viel spass, ist aber (wie man sich denken kann) nicht gerade ungefaehrlich…..wenn man mal daneben haut…..naja……*g